Es sind nur noch wenige Wochen bis zum 31. Januar 2017. An diesem Dienstag ändert sich zwar nicht die Welt, aber ein klein wenig anders wird sie schon aussehen, wenn Jenny Wiegand dann nach dreieinhalb Jahren Ausbildung ihren Facharbeiterbrief als Chemikantin in der Hand halten wird.
Eines ist schon gewiss: Die 19-Jährige wird, das Bestehen der Prüfungen vorausgesetzt, von ihrem Ausbildungsbetrieb Solvay in Bernburg (Sachsen-Anhalt) übernommen.
Großes Produktspektrum
Das Werk mit 400 Beschäftigten und 40 Azubis ist ein Traditionsbetrieb: Seit 1883 entsteht hier nach einem vom Unternehmensgründer Ernest Solvay entwickelten Verfahren aus Kalkstein und Steinsalz Natriumcarbonat, landläufig Soda genannt, ein wichtiger Rohstoff für die Glasindustrie, für Reinigungs- und Waschmittel. Seit dem 1. September 1991 gehört das Werk wieder zur belgischen Solvay-Gruppe. 1938 hatten die Nazis das Ruder in Bernburg übernommen, nach dem Weltkrieg wurde das wieder aufgebaute Werk Teil des Chemiekombinats Bitterfeld.
„Seit 1991 sind in Bernburg 600 Millionen Euro in neue Anlagen und eine verbesserte Infrastruktur investiert worden“, berichtet Ausbildungsleiter Jürgen Bojanowski, der hier 1974 als Elektriker ins Arbeitsleben eingestiegen ist. „Heute produzieren wir auch Bicarbonat, das für Tierfutter, Arzneimittel und Blutwäsche genutzt wird, sowie mit Wasserstoffperoxid und Phosphorsäure hochreine Produkte für die Halbleiter-Industrie“, übernimmt Jenny Wiegand das Wort.
Sie kennt die Anlagen alle, hat diese große Breite an Chemikanten-Tätigkeiten in ihrer Lehrzeit von Nahem kennengelernt. Wie überall in der Branche werden die Azubis mit ihrem 18. Geburtstag in die Schichten integriert, um vor Ort zu lernen und von den Erfahrungen der „alten Hasen“ zu profitieren. „Mir hat es am besten im Sodabetrieb gefallen“, berichtet Jenny Wiegand. Starten als Facharbeiterin wird sie aber aller Voraussicht nach im sogenannten VE-Betrieb, der Wasseraufbereitung.
Ein Praktikum macht sich gut
„Wir bilden nach Bedarf aus“, erklärt Jürgen Bojanowski. Sobald absehbar ist, dass Kollegen in Rente gehen, werden rechtzeitig Azubis eingestellt, damit sie mit Ende der Ausbildung nahtlos übernehmen können. Und die Wasseraufbereitung ist Jenny Wiegand auch recht, denn auch das ist eine komplexe, abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Arbeit. Am Ende muss das Wasser fast so rein wie destilliertes Wasser sein.
„Das geschieht mit mechanischen Verfahren wie Filtern, physikalischer Aufbereitung wie etwa Sedimentation oder Verdüsung und natürlich chemischer Aufbereitung wie Oxidation, Adsorption oder Osmose“, lässt Jenny Wiegand ein wenig ihres Wissens aufblitzen.
Wie ist sie eigentlich auf die Idee gekommen, Chemikantin zu werden?
"Interesse und Spaß an den Fächern Chemie und Physik war der Ausgangspunkt“, sagt sie. Als es ans Bewerben ging, riet ihr die Mutter zur Chemie, zu einem Praktikum in einem Chemieunternehmen.
Die Einstellung macht den Erfolg
Gesagt, getan. Eine Woche im Labor, eine Woche Praxis in der Produktion – und die Entscheidung war getroffen. Und Jenny Wiegand würde immer wieder so entscheiden. „Mit dem Praktikum und den guten Noten hatte Jenny bei uns beste Voraussetzungen, um einen Ausbildungsvertrag zu bekommen“, sagt Ausbildungsleiter Bojanowski. Zumal auch Engagement, Teamfähigkeit, soziale Grundtugenden stimmten, die nötig sind, sich in das Team einzupassen.
Würde Jenny anderen jungen Leuten zu diesem Beruf raten?
„Ja, auf jeden Fall“, sagt die angehende Facharbeiterin. Allerdings müsse der Betreffende Interesse an Chemie und Physik mitbringen, in der Schule schon. „Unsere Ausbildungsinhalte bauen stark auf dem Schulwissen auf.“ Wer mit Chemie und Physik nicht zurechtkomme, sollte die Finger davon lassen, denn die Anforderungen seien hoch. Jenny Wiegand:
„Die Einstellung macht den Erfolg, selbst für Interessierte wie mich ist die Ausbildung wahrlich kein Zuckerschlecken."