Chemie Studium abbrechen?
Haben Sie bei Zschimmer und Schwarz häufiger mit jungen Menschen zu tun, die von der Universität in eine Ausbildung wechseln?
"Jedes Jahr wird die Anzahl der Bewerber höher, die ihr Studium abbrechen möchten. Im Schnitt stellen wir alle zwei Jahre einen Studienabbrecher als Auszubildenden ein, meistens in den kaufmännischen und IT-Berufen."
Aus welchen Bereichen kommen die Studienabbrecher?
"Die größte Gruppe stellen eindeutig die Lehramtsstudenten. Aber auch ehemalige Jura-, Chemie- und Informatikstudenten haben bei uns gelernt. Zurzeit haben wir einen ehemaligen Studenten der Computervisualistik als Fachinformatiker in Ausbildung. Im Sommer kommt ein Ex-Student der Geo-Wissenschaften zu uns, der den Beruf des Chemikanten erlernt."
Glauben Sie, dass Ihnen der Ruf der Chemiebranche hilft?
"Bestimmt, die chemische Industrie hat bei den Arbeitnehmern einen guten Ruf. Aufgrund der soliden wirtschaftlichen Lage in Verbindung mit einem krisensicheren Arbeitsplatz sowie guter Bezahlung bei fairen Arbeitsbedingungen entscheiden sich viele für eine Ausbildung in der chemischen Industrie."
Wie ist der Altersdurchschnitt der Studenten? In welchem Semester fällt die Entscheidung für einen Wechsel?
"Der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte Zwanzig. Die Entscheidung zum Wechsel setzt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Zwischen dem 3. und dem 12. Semester haben und hatten wir alle Altersklassen vertreten."
Was sind die Motive für einen Studienabbruch? Mit welchen Herausforderungen haben die Studenten zu kämpfen?
"Die frühen Abbrecher fühlen sich während des Studiums allein gelassen oder es ist ihnen zu theoretisch. Der ein oder andere findet auch recht früh heraus, dass der Studiengang einfach nichts für ihn ist. Diejenigen, die knapp vor dem Regelstudienende stehen, wechseln einfach aus dem Grund, dass sie die erforderlichen Scheine nicht erhalten und somit den Abschluss nicht erlangen werden."
Wieso der Schritt in eine Ausbildung, anstatt sich beispielsweise für einen anderen Studiengang zu entscheiden?
"In den Vorstellungsgesprächen lautet die Antwort auf diese Frage meistens: Ich will endlich in die Praxis und etwas Sinnvolles tun."
Welche Vorteile haben Studienabbrecher den anderen Azubis gegenüber?
"Sie sind reifer, nicht nur durch das Alter, sondern sie haben bereits ihre erste negative Erfahrung gemacht und möchten die zweite Chance in jedem Fall nutzen. Die Erwartungshaltung ist natürlich auch in den Ausbildungsstationen deutlich höher, diese wird aber nicht immer erfüllt. Jeder Mensch ist individuell, egal welche Bildungsvoraussetzung er mitbringt.
In der Berufsschule sind Studienabbrecher deutlich im Vorteil. Hier bei uns in der Praxis kommt es aber auch auf ausgeprägte Sozialkompetenzen, Teamfähigkeit, strukturiertes Arbeiten und Selbstorganisation an. Davon können 16-Jährige mehr haben als 25-Jährige."
Können geleistete, theoretische Lehrinhalte aus dem Studium in der Ausbildung angerechnet werden? Gäbe es beispielsweise die Möglichkeit, die Ausbildung bei Zschimmer und Schwarz zu verkürzen?
"Nicht von Beginn an. Wir haben eine hohe Übernahmequote und legen daher großen Wert auf eine fundierte, breitgefächerte und praxisorientierte Ausbildung. Wir bieten viel Abwechslung und vermitteln Kenntnisse weit über die Mindest-Ausbildungsinhalte hinaus.
Je mehr eine angehende Fachkraft während ihrer Ausbildungszeit mitnimmt, desto gewinnbringender ist es für die zukünftige Tätigkeit bei uns. Daher ist es uns wichtig, dass die Ausbildungszeit optimal und bis zum Regelende genutzt wird. In Ausnahmefällen ermöglichen wir den Auszubildenden die vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung. Somit verkürzt sich die Ausbildungszeit um ein halbes Jahr."
Wie ist die Resonanz der Azubis, die vom Studium in eine Ausbildung gewechselt haben?
"Sie sind alle noch bei uns beschäftigt. Jeder von ihnen hat auf dem zweiten Bildungsweg nach der Ausbildung berufsbegleitend studiert oder einen Techniker- oder Meisterabschluss erworben."
Welchen Tipp haben Sie für jemanden, der mit dem Gedanken spielt, sein Studium abzubrechen und in eine Ausbildung zu wechseln?
"Dieser Schritt sollte wohlüberlegt sein und mit der Familie und Freunden in Ruhe besprochen werden. Wer danach immer noch für sich persönlich feststellt, dass das Studium doch keine Alternative ist, sollte so schnell wie möglich die Reißleine ziehen und z. B. eine Ausbildung anstreben.
Mein Tipp setzt schon früher an: Durch eine Ausbildung und einer anschließenden berufsbegleitenden Weiterbildung, z. B. zum Industriemeister, lässt sich ebenfalls das Qualifikations-Niveau eines Bachelor-Absolventen erreichen."
"Wir würden uns freuen, wenn im Bewusstsein der jungen Menschen ankommt, dass eine Karriere nicht immer den geraden und direkten Weg geht. Was spricht also gegen eine qualifizierte Ausbildung?"
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